von Karin Rey
Um es vorwegzunehmen, ich bin keine Expertin! Ich bin weder Hundetrainerin, noch -therapeutin, noch -psychologin oder sonst etwas in der Art. Aber ich bin seit über 30 Jahren Hundebesitzerin, sehe täglich mehrere Artgenossen meines Vierbeiners und hüte auch immer wieder seine «Kamerädli». Und ich besitze, wie sie alle Hundehalterinnen und Hundehalter haben sollten, Kenntnisse darüber, welches die Bedürfnisse eines Hundes sind. Was ich seit etwa zwei Jahren auf meinen täglichen Hundespaziergängen beobachte, ist ganz einfach nur traurig. Und Hunde, die frei, ohne Leine laufen dürfen, werden immer seltener.
Alles, was Frauchen und Herrchen begehrt
Betrachtet man das Angebot in Tierläden und im Internet, scheint der Hund eine immer wichtigere Rolle in unserem Leben zu spielen. Von gestylten Leinen und aufladbaren Leuchtbällen bis hin zu Kühlwesten, Winterstiefelchen und Conditioner ist alles erhältlich. Auch das Angebot an Futter ist schier unbegrenzt – gleichzeitig leiden immer mehr Hunde unter Unverträglichkeiten. Der Trend, seinen Hund zu kostümieren, sei es als Kürbis, Dinosaurier oder mit Tütü, hat sich glücklicherweise bei uns noch nicht durchgesetzt.
Und mal ehrlich, für wen wohl kauft Frauchen oder Herrchen all das? Sicher nicht für den Hund, der ist mit einem einfachen Ball zufrieden.
Eine Grünfläche zum Herumtollen?
Was aber ihre wichtigsten, elementarsten Bedürfnisse anbelangt, nämlich nach Herzenslust herumzurennen, mit Artgenossen zu spielen oder ausgiebig zu schnüffeln, dies ist mittlerweile unzähligen Hunden versagt. Beispielsweise in Basel findet sich, mit ganz wenigen Ausnahmen, auf jeder Grünfläche und in jedem Park ein Hundeverbotsschild. Nicht jedem ist es möglich, täglich mit seinem Gefährten aus der Stadt heraus zu fahren. Erstaunlicherweise bringen es Grossstädte wie New York, Paris, London und andere fertig, in ihren Parkanlagen Hundezonen und Hundeauslaufplätze zu schaffen. Beispielsweise in Wien gibt es deren mehr als 200 mit einer Gesamtfläche von über 1 Million Quadratmeter.
Fast immer an der Leine
Zu den allgemeinen Hundeverboten kommt die Leinenpflicht. Es gibt die viermonatige kantonale Leinenpflicht während der Brut- und Setzzeit in Wäldern und am Waldrand; es gibt die frisch angepflanzten Felder, Mitmenschen, die Hunde nicht mögen, Kinder, die Angst haben, Läufigkeit der Weibchen, Kuhherden und vieles mehr. Das alles ist verständlich und nachvollziehbar.
Fragwürdig wird es allerdings, wenn die Besitzerin oder der Besitzer erklärt, dass sie den Hund nicht frei lassen können, weil er nicht mehr zurückkommt. Wie wäre es mit Erziehung? Oder dass er aggressiv gegen andere Hunde ist. Haben wir es vielleicht verpasst, ihn als Welpen oder auch später an den Umgang mit anderen Hunden zu gewöhnen, ihn zu sozialisieren? Da kommt mir der Welpe in den Sinn, der sich beim Anblick anderer Hunde immer vor Freude fast an der Leine aufgehängt hat, jedoch von seiner Besitzerin stets erbarmungslos weggezerrt wurde. Viele finden auch, dass ihr Vierbeiner zu langsam geht oder zu oft schnüffelt. Sicher haben Frauchen und Herrchen mal Termine, aber zumindest ein bis zweimal pro Tag sollte das Hundchen seine Bedürfnisse ausleben können.
Joggen mit dem Hund an der Leine
Viele Hundebesitzer erledigen den Spaziergang besonders effizient, indem sie den Hund zum Joggen mitnehmen – angeleint. Da liegt für den Vierbeiner oft kein Schnüffeln und vor allem keine Kontaktnahme mit anderen Hunden drin. Ja, und besonders leicht kann man den Spaziergang absolvieren, indem man den armen Wuffel ans Velo bindet. Auch da denke ich an einen alten Hund aus der Gegend, der kaum noch mithalten konnte.
«Corona-Hunde»
Weshalb hat sich die Hundehaltung in diese Richtung entwickelt? Dass immer mehr Hunde nur noch an der Leine gehen dürfen? Zum einen nimmt die Anzahl Menschen wie auch Hunde stetig zu, was die Hundehaltung nicht vereinfacht. Dann, das war jedoch schon immer so, sind sich einfach wenige Menschen bewusst, welch grosser Zeitaufwand es bedeutet, einen glücklichen Hund grosszuziehen und zu halten. Und, auch das ist nichts Neues, wünschen sich die Kinder oft ganz sehnlichst einen Hund; dieselben, die ihn wenige Wochen später ums Quartier zerren, den Blick stur auf das Handy gerichtet. Und gerade in der Corona Zeit haben Hundekäufe geboomt. Singles fühlten sich einsam, können unterdessen aber wieder unbeschränkt Kontakt zur Aussenwelt pflegen. Die Familie, vor allem die Kinder, brauchten Ablenkung in der Zeit des eingesperrt seins, können nun aber wieder ihre Spielkameraden treffen. Während des Homeoffices musste der Hund kaum alleine sein … nun arbeitet Herrchen oder Frauchen wieder ganztags. Aber dafür gibt es ja Hundesitter.
All diese Hunde tun mir aus tiefstem Herzen leid und ich kann oft nicht anders, als meinen Kommentar abzugeben. 90 Prozent der Angesprochenen reagieren sehr aggressiv. Dann gibt es aber 10 Prozent, die, welche Wohltat, meinen, dass sie froh über den Hinweis sind. Und für diese 10 Prozent, wenn ich damit nur einigen Hunden helfen kann, ein normales Hundeleben zu führen, nehme ich das gerne auf mich, mit den wüstesten Schimpfwörtern attackiert zu werden. Und denke dabei an all die armen Tiere, denen es noch viel schlechter geht.