Expeditionsreise in die Arktis

    Sommerferien – Zeit für Erholung. Ein Abenteuer der besonderen Art bietet die Arktis. Abseits ausgetretener Pfade führte eine Expeditionsreise im hohen Norden auf der «Sea-Spirit» rund um Spitzbergen bis an die Grenze zum ewigen Packeis am 80. Breitengrad.

    (Bilder: Erika Bigler) Das Expeditionsschiff «Sea Spirit» diente als Basis für die Erkundung mit den Zodiacs in die arktische Gletscherlandschaft.

    Die Route sah die Umrundung des Spitzbergen-Archipels, inklusive Besuch der weit abgelegen, östlich liegenden Insel Kvitøya vor, die für ihre Eisbären bekannt ist. Weiter stand der Nordwest-Spitzbergen-Nationalpark, das Kronjuwel Spitzbergens mit landschaftlichen Attraktionen auf dem Programm. Dieses Gebiet ist bekannt für seine tiefen, landschaftlich eindrücklichen Fjorde, die von zerklüfteten Gebirgsketten flankiert werden. Unvergesslich die riesigen Gezeitengletscher, die Eisberge in das türkisfarbene Wasser kalben.

    Ein erster Höhepunkt mit kalberndem Gletscher
    Die Reise begann allerdings unspektakulär. Zunächst wurden die knapp hundert Teilnehmer, die sich aus aller Welt rekrutierten, mit den Sicherheitsinstruktionen auf dem Schiff vertraut gemacht. Danach ging es ans Fassen von arktistauglichen Jacken und Gummistiefeln.
    Bereits am zweiten Tag wartete ein eindrückliches Spektakel auf die erwartungsvollen Expeditionsgäste. In Zodiacs, kleinen wendigen Gummibooten, ging es in sicherem Abstand zum Gletscherabbruch, der direkt im Meer endete.

    «Winzig klein fühle ich mich beim Anblick dieser Gletschermassen und voll Ehrfurcht, in dieser gewaltigen Natur.»

    Dicht über dem kalten Wasser kurvten die Zodiacs zwischen Eisblöcken hindurch, die in verschiedenen Türkis-, Weiss-grau- und Blautönen schimmerten. Und plötzlich passierte das Unerwartete, aber Erhoffte. Mit einem grossen Knall lösten sich gewaltige Eismassen von mehreren Metern Höhe vom Gletscher und stürzten donnernd ins Meer. Eine gewaltige Welle liess die Zodiacs tüchtig auf- und ab schaukeln.

    Historische Geschichten um Ny-Ålesund
    Als nördlichster Hafen der Welt war Ny-Ålesund im letzten Jahrhundert der Startpunkt für verschiedene Arktisexpeditionen, darunter die Expeditionen von Roald Amundsen zusammen mit Lincoln Ellsworth. Mit Dornier-Flugbooten wollte Amundsen mit weiteren Forschern 1925 erstmals zum Nordpol fliegen. Dieses Unterfangen scheiterte und so versuchte er es 1926 ein weiteres Mal. Mit Umberto Nobile gelang ihm dieses spektakuläre Vorhaben. Die beiden erreichten, zusammen mit 16 Mann Besatzung, am 12. Mai 1926 mit dem Luftschiff Norge den Nordpol.
    Im Mai 1928 unternahm Nobile eine zweite Luftschiffreise zum Nordpol. Diese scheiterte und die ganze Crew blieb im Eis gefangen. Amundsen, der sich zuvor mit Nobile zerstritten hatte, machte sich auf, diesen zu suchen. Bei der Rettungsaktion starben zahlreiche Personen, unter anderem auch Amundsen. In einem Kleinflugzeug suchte er nach Nobile, stürzte im ewigen Eis ab und wurde nie gefunden.
    Die vielen Expeditionsgeschichten findet man in Ny Ålesund im Museum wieder. In der ehemaligen Bergbaustadt, die heute eine internationale Gemeinschaft von Arktisforschern beherbergt, befindet sich auch ein Postamt und der ursprüngliche Turm von Amundsens Luftschiff Basis.

    Walrosse und Eisbären konnten mit Sicherheitsabstand aus den Zodiacs beobachtet werden.

    Ice Edge oder an der Eisgrenze
    Bald schon sollte der 80 Breitengrad zur Grenze des ewigen Packeises angepeilt werden. Während einer Stunde durfte eine Bootsgruppe nach der anderen für fünf Minuten auf dem Eis «spazieren» gehen.

    «Ein grossartiges Gefühl erfüllte mich, als meine Füsse dieses Eis betraten. Rund um mich war es weiss, das Meer sehr still! Die unterschiedlichsten Wolkenbilder spiegelten sich bei der Rückfahrt zwischen den Eisblöcken auf dem Meer und verzauberten alles in ein geheimnisvolles Naturspektakel!»

    Die Schiffscrew und das Expeditionsteam sorgten für absolutes Wohlbefinden an Bord. Und so war es nicht erstaunlich, dass der Tag um Mitternacht in der Bar bei einem Drink und nach wie vor vollem Tageslicht abgeschlossen wurde. Diese spezielle Atmosphäre begeisterte die Gästeschar und viele Eindrücke und Erfahrungen wurden in angeregten Gesprächen ausgetauscht.

    Eisbären in Sicht
    Und dann kam Nebel auf, die Sicht beschränkte sich auf wenige Meter. Sollte die Expedition zu den Eisbären scheitern?
    Da überall mit dem Zusammentreffen von Eisbären gerechnet werden musste, erkundete ein geübtes internationales Team im Vorfeld jede anlande Stelle. Wächter, mit Gewehren und Ferngläsern ausgestattetet, sicherten jeweils die Umgebung. Eisbären sind wunderbar kuschlige Tiere. Sie können jedoch schnell zu einer grossen Gefahr für den Menschen werden.
    Boot um Boot machte sich im Nebel startklar, Eisbären waren gesichtet worden. Es musste auf Sichtweite gefahren werden. Wie von Geisterhand lichtete sich der Nebel plötzlich und ein Eisbär kam am Strand in Sichtweite. Ein weiterer war in einiger Entfernung gut auszumachen. Ein grossartiger, majestätischer Anblick. Die Bären hatten wahrscheinlich vor kurzem gejagt und waren satt, so dass sie uns so ruhig in unseren Booten vorbeigleiten liessen.

    «Ich erlebe die Natur hier viel intensiver. Stimmungen, Farbenspiele im Meer, eine Vielzahl unbekannter Vögel, auftauchende Belugawale, arktische Robben, herumstreuende Polarfüchse sowie Walrössern, die in grosser Zahl an flach abfallenden Stränden ruhen, begeisterten mich auf der ganzen Expedition.»

    Bei jeder Expedition sorgten Wächter mit Gewehren und Ferngläsern für die Sicherheit der Teilnehmenden.

    Ohrenbetäubendes Vogelgeschrei
    Die polare Wüste beherbergt kaum Vegetation, dafür aber eine grosse Anzahl von Seevögeln, die in den Klippen des Alkefjellet brüten: 100.000 von Rosafussgänsen, Eismöwen, Zwergalken, Trottellummen, Schneefinken und eventuell Nonnengänse.
    Ein ohrenbetäubender Vogellärm schallte von den Klippen her. Plötzlich, Abertausende von Vögeln, wie in einem Sience Fiction Film, schwirrten über unsere Boote. Die Zodiacs schaukelten wie Nussschalen der Klippe entlang, wo sich unzählige schwarzweisse Trottellummen aufhielten. «Was für eine Scheisse!», schimpfte ein Mann empört neben mir. Eben hatte einer der zahlreichen Vögel mit Kot seine Mütze dekoriert. Und dies alles bei hohem Wellengang, wo einige im Zodiac bereits mit Übelkeit kämpften.

    Eisklippe Bråsvellbreen
    Erhebliche Konzentration und hohes Navigationsgeschick erforderte es vom Kapitän im Meereseis im riesigen Naturreservat Nordwest-Spitzbergen, das die wilden nordwestlichen Teile Spitzbergens umfasst. In dieser abgelegenen und einzigartigen Region kann das Eis bis weit in den Sommer hinein bestehen bleiben. Die gewaltige Eiskappe des Austfonna erhebt sich über die atemberaubenden Landschaften der Hocharktis. Ein Teil davon trifft entlang der 45 Kilometer langen Eisklippe Bråsvellbreen auf das Meer. Vor dieser majestätischen Kulisse wurde das Schiff für ein Gruppenfoto auf Deck zum Stehen gebracht.
    Während der 14-tägigen Polarexpedition musste die Crew täglich anspruchsvolle Entscheide treffen. Je nach Wetter mussten neue Routen gesucht werden und unkonventionelle Entscheidungen getroffen werden. Diese wurden mit einem grossen Verantwortungsbewusstsein von der Crew und dem Expeditionsteam wahrgenommen. Die Erwartungen der Teilnehmenden auf dieser Expeditionsreise durch die Arktis wurden damit in jeder Hinsicht übertroffen.

     

    Erika Bigler,
    Sekundarlehrerin

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